Heute ist der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Traurig, dass dieser immer noch nötig ist, denn bereits 2009 – also vor 15 Jahren – hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben.

Seit fast genau 14 Jahren arbeite ich als rechtlicher Betreuer mit Menschen mit Behinderungen. Ich unterstütze meine Klient:innen in rechtlichen Angelegenheiten da, wo sie selbst aufgrund ihrer Behinderung nicht aktiv werden können. Häufig können diese Menschen nicht für ihre eigenen Rechte einstehen und brauchen (meine) professionelle Unterstützung.

Ich maße mir an, dass ich in einigen Bereichen recht gut weiß, welche Barrieren Menschen in den Weg gelegt bekommen und weiß leider auch, dass gerade im ländlichen Bereich Menschen mit Behinderungen kaum die Möglichkeit haben, sich selbst zu organisieren und für ihre Angelegenheiten einzutreten. Erschwert wird dies von Politik und Verwaltung, die keine Probleme sehen oder sehen wollen und so auch keine Möglichkeiten für Vernetzung und Selbstvertretung schaffen.

Unser Antrag zur Gründung eines Behindertenbeirates im Landkreis hat mir gezeigt, wie teilweise abgehoben und besserwisserisch von Menschen ohne Behinderungen mit Betroffenen und deren Rechten umgegangen wird.

Vielleicht hat man aber auch nur Angst davor, dass einem die eigenen Defizite im Bereich Barrierefreiheit und Inklusion aufgezeigt werden und man möchte es einfach nicht sehen.

In der jetzt ablaufenden Legislatur des Kreistages ist es uns nicht gelungen, bessere Möglichkeiten für eine bessere Interessensvertretung von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Ob das Thema in der kommenden Legislatur überhaupt im Kreistag Thema sein wird, hängt von zwei Faktoren ab:

  1. braucht es Fürsprecher:innen mit Kreistags- oder Stadtratsmandat, die die Diskussion in die Gremien tragen können.
  2. braucht es Aktionen „von unten“, die den Entscheidungsträger:innen und der Verwaltung zeigen, dass es eine relevante Menge von Menschen gibt, die sich für ihre eigenen Angelegenheiten stark machen wollen.

Beide Punkte möchte ich in Zukunft weiter voran bringen. Ich kandidiere wieder für den Kreistag und erstmals den Stadtrat in Eisenberg mit dem Ziel, Möglichkeiten für „Betroffene“ zu schaffen, damit wir „Nichtbehinderte“ endlich über unseren Tellerrand schauen und aus unserer Komfortzone raus kommen.

Parallel werde ich eine Auftaktveranstaltung im Landkreis organisieren, um Menschen mit Behinderungen zusammen zu bringen und den Prozess eines Behindertenbeirates „von unten“ anzustoßen.

Im Idealfall greifen beide Punkte ineinander und wir bekommen neben Senioren- und Jugendbeiräten noch einen Behindertenbeirat dazu.

Das kann und will ich nicht alleine machen – ich brauche Unterstützung. Mit Frau Michels vom Verein Barrierefrei in Thüringen e.V. bin ich schon länger in einem sehr guten Austausch. Auch beim ASB weiß ich, dass ich offene Türen einrenne. Was es jetzt noch braucht sind Kontakte zu Betroffenen, bis bisher in keinem der Wohlfahrtsverbände andocken, aber etwas zu sagen haben oder etwas bewegen wollen.

Am Ende gewinnen alle, denn aus gesunden mobilen Menschen werden früher oder später ältere Menschen, die mit Mobilitätseinschränkungen oder anderen Hindernissen zu kämpfen haben.

Wer jetzt Beteiligung für Menschen mit Behinderungen schafft, profitiert später selbst davon.